Psychotherapie als Lebensweg e.V.

Verein zur Förderung von Psychotherapie, Selbsthilfe und Beziehungskultur

Beziehungskultur - Hier lang!

Unser Verein hat sich der Pflege einer lebendigen Beziehungskultur verschrieben. Was verstehen wir darunter? Und wie wird das bei uns gelebt? Was macht das Vereinsleben aus? Auf dieser Seite erzählen Vereinsmitglieder von ihren Erfahrungen und was sie über Beziehungskultur denken.



Heimat und Familie

Der Verein ist mir im Laufe der Jahre Heimat und Familie geworden, denn hier sind viele Menschen organisiert, die meine Freunde sind, die mich erlebt haben, in Therapiegruppen, in Selbsthilfegruppen, bei Veranstaltungen mit meinen Stärken, mit meinen Schwächen, in Schmerz, Wut und Traurigkeit, in Freude, Glück und ausgelassener Lebendigkeit, die mich wertschätzen und mich gerne haben und mit denen ich mich gut aufgehoben fühle, weil ich so sein und mich zeigen kann, wie ich bin. Die größte Ressource des Vereins ist also für mich die, dass es ihn gibt.


Wenn ich das will und auch selbst bereit dafür bin, finde ich Räume, in denen ich mich ausprobieren und experimentieren kann, lebendig und ergebnisoffen. Und ich finde immer wieder Andere, die bereit sind und sich wünschen, das mit mir zu teilen. Der Verein bietet mir dafür nicht nur den strukturellen Rückhalt. Dafür bin ich dankbar.


Für mich ist vor allen Dingen wichtig, dass das gegenseitige Wohlwollen nicht verloren geht. Es ist das, was ich selbst brauche, das was ich geben kann und was ich in gleichem Maße immer auch zurück bekomme.


Was mich mit den Menschen im Verein verbindet, ist das Wissen oder die Ahnung davon, dass es dem/der Anderen manchmal, vielleicht oft, so beschissen geht wie mir, dass die Sehnsucht dann so groß wird, dass es vorne und hinten nicht reicht, das Wissen um die gleichen frühen schlimmen Verletzungen und Verluste, und das daraus entstehende Mitgefühl und wohlwollende, herzliche und oft liebevolle Miteinander.

Ulf



Beziehungskultur ist die Fähigkeit, wirklich zuhören zu können, verstehen zu wollen, nicht belehren und abwerten zu müssen, sich immer auch selbst als Problemträger bei allen Konflikten zu verstehen und Andersdenkenden potenziell auch Richtigkeit und Wahrheit zuzubilligen.

Dr. Hans-Joachim Maaz



Die Gesprächskultur hilft, Konflikte zu lösen

Für mich ist der Verein wie eine Familie geworden. Ein stetiger Begleiter, der Hafen sozusagen. Mal im Hintergrund ganz still und manchmal ganz präsent. Ich weiß, er ist da und wenn ich will, kann ich auf das Netzwerk zurück greifen. Beziehungskultur lebe ich vor allem in den Begegnungen, wie zu Weihnachten, Ostern oder dem Sommerfest. Dabei schätze ich, dass wir authentisch sind, aber wohlwollend. Jede/r bleibt bei sich, so gut es geht. 

Ich habe das Gefühl, mich hier nicht wie sonst nur „perfekt“ zeigen zu können, sondern auch mal schwach oder verletzlich. Unter Gleichgesinnten zu sein, hilft. Und das Wissen um die gemeinsamen Werte hilft mir sehr schnell Vertrauen und eine Offenheit mit neuen Kontakten im Verein aufzubauen. Klar, bin ich auch schon mit anderen aneinander geraten. Aber das gehört dazu und ich schätze, dass die Gesprächskultur hilft, Konflikte gut zu lösen. Über den Verein bin ich noch in meiner SHG angebunden, die trägt mich vor allem durch den Alltag, dafür bin ich echt dankbar.

Franziska



Mein Beipackzettel zu Beziehungskultur - Anwendungsgebiete, Risiken und Nebenwirkungen

Anwendungsgebiete: Beziehungskultur ermöglicht, in Beziehungen ehrlicher, authentischer, selbstverantwortlicher und weniger alleine zu sein. Ein gesünderes, beziehungsreicheres Leben könnte die Folge sein. Du kannst sie anwenden in Freundschaften, als Mutter oder Vater, in Deiner Partnerschaft oder im Beruf. Besonders hilfreich wirkt sie, wenn Du im Anschluss an Therapie neue Wege gehen möchtest. Beziehungskultur leben bedeutet, dass Du ehrlicher bist. Mit anderen, Deinen Bedürfnissen aber auch mit Deinen Schattenseiten. Beziehungskultur im Verein „Psychotherapie als Lebensweg“ bedeutet, Weggefährten zu treffen, die stürmische See kennen. Wildfremde können Freunde werden. Du wirst Menschen finden, die Dich dabei unterstützen, auch stürmische See zu meistern, denn Du bist nicht allein. Du kannst viel Freude haben, ausgelassen singen und tanzen und das Leben genießen. In jedem Fall ist Dein Leben in Licht und Schatten lebendiger und wahrhaftiger. 


Risiken: Achtung, Du wirst Menschen ehrlich begegnen. Das macht weich, unsicher, lebendig und beziehungsfähig. Es ist auch Arbeit, es ist schmerzlich und man muss die eigenen Schattenseiten anschauen. Beziehungskultur zu leben heißt, immer wieder die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, sich mitzuteilen, auch wenn es schmerzlich ist, seinen inneren „Schweinehund“ am Schopf zu packen. Das ist manchmal ganz schön anstrengend


Nebenwirkungen: Dein Leben wird lebendiger, genussvoller und gesünder. Du musst Dich weniger verstecken, kannst Dich in einem wohlwollenden Rahmen ausprobieren. Du könntest aber auch weniger „Massen"kompatibel sein. Du könntest in Schwierigkeiten geraten, wenn Du nicht akzeptierst, dass man über Menschen lästert oder Andersdenkende ausgrenzt. Unter Umständen wirst Du feststellen, dass manche Deiner Beziehungen nicht die Ehrlichkeit aushalten, die Du brauchst, um sich wirklich zu begegnen. Es kann also sein, dass Du zwar nicht mehr mit jedem „kompatibel“ bist, dafür mehr bei Dir selber ankommst.

Die Dosis bestimmst Du, Suchtgefahr ist nicht ausgeschlossen.

Anne



Jeder über sich - so fängt es an

Ich verstehe Beziehungskultur als ein zutiefst lebensbejahendes und lebensförderndes Prinzip, ein Prinzip des beständigen Austauschens und Abgleichens: Dass es mir so und so geht, erlebst du so, dass du so denkst und fühlst, wirkt auf mich so.


Beziehungskultur ist demnach ein anderes Wort für eine Art zwischenmenschlichen Regelkreis und steht für ein Schwingen zwischen mir und den Anderen. Sie bricht die Statik festgezurrter Hierarchien ebenso auf wie die Dualität von Befehl und Gehorsam und holt alle gleichberechtigt auf die Bühne. Dort ist jeder Gebender und Nehmender zugleich.


Eine lebendige Beziehungskultur ist darauf gegründet, dass wir uns immer auf demselben Boden befinden und immer die Luft einatmen, die der Andere ausgeatmet hat. Sie bejaht so alles, was uns trennt, und alles, was uns verbindet, ohne zu gewichten.


Beziehungskultur ist dabei mehr, als sich in einer Art therapeutischem Gespräch wechselseitig zu spiegeln. Sie zielt schon dem Namen nach auf das Bezogensein ab, auf das Einbezogensein in die hochkomplexe Dynamik des Miteinanders lebendiger, fühlender Wesen. Beziehungskultur bejaht und fördert diese Dynamik und entfaltet damit ihre heilsame Qualität.


Dazu braucht es wenig: Guten Willen vor allem, Geduld, die Bereitschaft sich hinzuwenden sowie den Mut, sich mitzuteilen und inneres Erleben auszudrücken. Das funktioniert am ehesten in einem geschützten Raum, der sich jederzeit und überall verabreden lässt.


Und dann – lass uns reden! Jeder von und über sich – so fängt es an. So wird Beziehungskultur zum ehrlichen Anerkennen dessen, was ist – mit mir, mit dir, genau jetzt, genau hier. Für diesen Moment werden die Projektionen transparent, die uns den Blick aufeinander so oft verstellen, und sei es nur um wenige zehntel Grad. Es erlaubt uns, gut miteinander zu sein, etwas besser jedenfalls als zuvor.


Beziehungskultur heißt deshalb auch, die Grenzen dessen zu benennen, was miteinander geht und was eben nicht, auf eine friedvolle und konstruktive, den Mitmenschen in seiner Würde bejahenden Weise. Jedes Anliegen hat seine Berechtigung, so fremd und ängstigend es zunächst auch scheint. Gelebte Beziehungskultur hilft der Verständigung.


Das klingt kompliziert und ist in der Tat nicht eben mal aus dem Ärmel zu schütteln. Beziehungskultur bedarf der beständigen Ein-Übung im Sinne möglichst täglich gelebter Praxis. Sie beginnt mit der Idee, Beziehung gemeinsam aktiv zu gestalten und sich aus dem Wildwuchs aus Reiz und Reaktion, aus reflexhafter Abwehr und Anziehung Stück für Stück herauszuarbeiten.


Manchmal ist es für mich mühsam, Beziehung zu kultivieren, statt sie dem Zufall zu überlassen. Doch die Früchte, die sich miteinander ernten lassen, können den Schmerz der Wunden lindern, die mir als Kind zugefügt worden sind. Liebevolles und empathisches Miteinander, das ist für mich Beziehungskultur.

Marco